Christentum in der Optionsgesellschaft

Postmoderne Perspektiven
Deutscher Studien Verlag Weinheim 1997

Der Prozess der Moderne kann soziologisch beschrieben werden als die fortschreitende Abnahme äußerer Zwänge, Vorgaben und Bindungen bei gleichzeitiger Zunahme persönlicher Freiheitsspielräume und Wahlmöglichkeiten. Die Logik der schier unbegrenzten Optionen, die dem heutigen Individuum zur Verfügung stehen, hat inzwischen auch die Religion erreicht. Das Christentum findet sich wieder auf einem Markt konkurrierender Angebote, deren Akzeptanz Sache subjektiver Verfügung geworden ist, nicht mehr sozialer Verbindlichkeit.
Das verfasste Christentum reagiert mit erheblicher Verunsicherung. Statt über Verfall zu klagen, scheint eine Neureflexion von Frömmigkeit, Kirche und Theologie angesichts spätmoderner Verhältnisse geboten. Hier bietet sich die Philosophie der Postmoderne als Perspektivierungshilfe an. Zwar steht der Begriff „postmodern“ oft für „beliebig“; im philosophischen Gespräch bezeichnet er allerdings eine ernst zu nehmende Reflexion der heutigen Optionenlogik, die sich für Theologie und Kirche auf die veränderte Situation ebenso übertragen lässt wie auf Veränderungen innerhalb der christlichen Lebenspraxis.
Das Buch beginnt mit einem Überblick über die wichtigsten Theoretiker der Postmoderne, der ihre Philosophie als Einlösung und Weiterführung ur-moderner Gehalte erweist. Das Ergebnis wird als Analyseraster übertragen auf die derzeitigen Frömmigkeithaltungen, in denen sich eine überraschend genaue Abspiegelung zeigt. In einem weiteren Abbildungsschritt werden kirchliche „Postmodernisierungen“ auf-gezeigt, die sich keineswegs als Verfall, sondern durchweg als Bereicherungen im christlichen Sinne darstellen, kirchlich allerdings unzureichend reflektiert sind. Abschließend wird untersucht, wie die theologische Fachwissenschaft auf die mit der Postmoderne bezeichneten Veränderungsprozesse reagiert.
Die Ergebnisse weisen auf eine Neuwahrnehmung christlicher Traditionen und Bestände, ebenso aber auf neue Aufgaben – unter anderem auf christliche Bildung und Spiritualität.