Wissenschaftliches Profil

Fragestellungen

Lebensweisen, Denken und grundlegenden Orientierungen der Menschen scheinen sich schnell zu verändern. Autonomie, Bedürfnisorientierung und funktionales Kalkül - und auch deren Schattenseiten: Überforderung und Erschöpfung, Isolation und Sinnleere - bestimmen das komplexer werdende Verhältnis der Gegenwartskultur zum Christentum. An die Stelle ehemaliger religiöser Selbstverständlichkeit und Verbindlichkeit ist eine religiöse Suchhaltung getreten, die am Christentum kaum noch vitales Interesse hat.

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Plausibilisierung geprägter christlicher Formen und Gehalte. Welche Lebensbedeutung haben sie, welchen Wert? Meine wissenschaftlichen Interessen verfolgen die Präsenz des Christlichen in der Gegenwartsgesellschaft, die Frage nach seinen Traditionen, Formen und Gehalten für religiöse Bildungsprozesse, die Analyse von kulturellen religiösen Gehalten (etwa in der Populären Kultur, den Medien usw.), ferner die Frage nach der spätmodernen Religiosität, die sich vor allem auf religiöse Erfahrungen und auf existenzielle Fragen gründet. Dazu beziehe ich auch (religions)ästhetische und (religions)psychologische Erkenntnisse mit ein.

Ich gehe davon aus, daß Religion eine grundlegende Dimension menschlicher Kultur ist, und diese die Gestaltung der menschlichen Welt. So wie es das Foto auf der Eingangsseite dieser Homepage andeutet, will Kultur nicht (nur) technisch umformen - sondern die Lebenswelt gestalten, den Blick ins Offen freilassen und einladen zur freien Kommunikation.

Wurzeln

Wurzeln meines theologischen Denkens liegen vor allem beim historischen Jesus, in der Theologie Meister Eckarts, Martin Luthers und Friedrich Schleiermachers, ferner in den oft faszinierenden Einsichten verschiedener Ketzergestalten der christlichen Geschichte. Meine ausführliche Beschäftigung galt und gilt den Bereichen Bildungsforschung, Soziologie, Philosophie (speziell der philosophischen Ästhetik, der Nietzscheforschung u.a.). Dabei ist mir seit jeher ein nachhaltiges Interesse an psychoanalytischen und neueren psychotherapeutischen Konzepten hilfreich gewesen (u.a. Ausbildung in systemischer Therapie).

Dissertation

Meine Dissertation „Christentum in der Optionsgesellschaft. Postmoderne Perspektiven (1997)” stellt den Versuch einer Analyse des Christentums unter modernen Bedingungen dar. Fern der viel zitierten "Beliebigkeit" ist die postmoderne Philosophie ein genaues Analyseinstrument, das dem Ernstnehmen moderner Pluralität gilt. Diese hat in Kirche, Frömmigkeit und Theologie bereits zu bemerkenswerten, freilich oft unbewussten Innovationen geführt - stößt dort aber meist auf deutliche Ablehnung.

Habilitation

Meine Habilitation „Religion und Bildung. Zur ästhetischen Signatur religiöser Bildungsprozesse (2002)“ baut auf dieser Analyse auf. Sie beschreibt Defizite in der gängigen (oft einseitig rationalen) religionspädagogischen Theoriebildung, beschreibt den großen Bildungsgedanken bei den Klassikern von Meister Eckhart, über Humboldt und Schiller bis Nietzsche und verbindet ihn mit neuesten Theorieelementen vorwiegend aus der ästhetischen Philosophie, der Kunsttheorie und Einsichten der Lern- und Hirnforschung. Bildung und Religion erweisen sich als aufeinander verwiesene Grundlegungen einer eigenständigen religiösen Didaktik, die die religionspädagogische und praktisch-theologische Wende zu ästhetischen Themen hin aufnimmt. Sie nimmt ihren Ausgangspunkt immer wieder bei einer religiösen Kulturhermeneutik und orientiert sich am Vollzug gelebter Religion, um die Logik christlichen Lebens und Weltverstehens aufzuschließen.

Lehrbuch Religionspädagogik

Diese Einsichten strukturieren mein Lehrbuch "Religionspädagogik (UTB, 2. Aufl. 2010)", das die klassischen Arbeitsfelder des Faches für Studierende und Lehrende übersichtlich zugänglich macht. Es geht davon aus, daß eine Auftrennung der Religionspädagogik in die beiden Felder Schule ("Religionspädagogik") und Gemeinde ("Gemeindepädagogik") wenig sinnvoll ist, da in beiden grundlegende religionspädagogische Fragen zu verhandeln sind, ferner da es weitere Felder religiösen Lernens gibt (z.B. die Medien). Das Buch bezieht daher die gemeindlichen Arbeitsfelder ebenso mit ein wie die Religionsdidaktik und fragt nach dem Wesen religiösen Lernens. Besonderer Augenmerk ist auf die Lebenssituation in der späten Moderne, das Verhältnis von Jugend und Religion und auf ästhetische Zugangswege zum Christentum gelegt.

Religiöse Kulturhermeneutik

Unter dem Blickwinkel einer religiösen Kulturhermeneutik hat sich als weiteres Arbeitsfeld der Zusammenhang von Religion und populärer Kultur ergeben, in der sich das veränderte religiöse Verstehen abbildet. In Zusammenarbeit mit PD Dr. Ingo Reuter (Mönchengladbach) liegt jetzt mit "Sinnspiegel. Theologische Hermeneutik der populären Kultur (Paderborn 2009)" eine Studie vor, die die theologische Deutung ins Zentrum stellt.

Das Christentum in der Gegenwart

Meine Studie "Rückkehr der Religion. Glaube, Gott und Kirche neu verstehen (2010)", geht von der verbreiteten, religionssoziologisch belegbaren und inzwischen auch öffentlich erkennbar wachsenden Distanz zu christlichen Glaubensaussagen aus und fragt nach den Ursachen des wachsenden Abstandes zwischen Christentum und moderner Kulturentwicklung. Die etablierte christliche Kultur steht allzu oft im Widerspruch zu Aussagen und Verhalten Jesu; "Glaube" und "Kirche", das wird auch in der historischen Entwicklung gezeigt, stehen im Kontrast zum Begriff "Religion" und können auch christlich angefragt werden. Die Beschreibung des Christlichen als Religion dagegen eröffnet kritische und überraschend plausible Perspektiven seiner neuen Einzeichnung in die moderne Lebenswelt.

Anleitung zu einer persönlichen Religionspraxis

Das Buch "Leben eben! Religion für Sinnsucher - eine Anleitung (2013)" geht den großen Fragen der Menschen heute nach: Wer bin ich, wie kann ich mich selbst akzeptieren? Wo ist Gott, das Heilige oder die tiefere Bedeutung der Wirklichkeit? Was ist der Sinn meines Lebens, und wo finde ich Liebe? Schließlich: Welche Entscheidungen soll ich treffen, und wie führe ich ein genussvolles, präsentes und erfülltes Leben? Dazu werden oft überraschend aktuelle christliche Einsichten zitiert und konkrete Hinweise auf eine kluge, selbstgestaltete Religionspraxis gegeben.

Projekte und aktuelle Interessen

Ein neuerer Schwerpunkt ist meine Arbeit mit kulturgeschichtlichen Themen aus der geistigen Tradition des Abendlandes in der interessierten Öffentlichkeit. Mein Interesse gilt hier dem philosophischen und dem religiösen Kulturgut der Tradition, das ich in Verbindung mit heutigen Fragestellungen und Problemlasten zu bringen versuche. Inzwischen haben sich nachgefragte Reihenveranstaltungen im Stil Philosophischer Cafés etabliert, in denen ich mit Vortrag, Textlesungen und moderiertem Gespräch den Grenzgang zwischen Christentum und Philosophie erprobe. Für diesen Versuch einer Verzahnung philosophischer und christlicher Traditionsgehalte und der Aufschlüsselung ihrer Bedeutung für das Leben heute liegen mehrere Verlegungsangebote vor.

Die schwierige Frage des Gegenwartsbezuges der christlichen Tradition weckt mein zunehmendes Interesse an der Erforschung des subjektiven Aufbaus von Religion, die mir auch für die Beschreibung religiöser Bildung unverzichtbar erscheint. Entstehung von Religiosität, fördernde und hemmende Einflüsse bei deren Entwicklung, die Rolle der Imagination usw. schätze ich als weitgehend unbearbeitetes praktisch-theologisches Forschungsfeld von grundlegender Bedeutung ein. Zunehmend bedeutsam wird mir daher die Erforschung frühkindlicher Religionsbildung.

Mein jüngstes Interesse gilt einer Beschäftigung mit religionspsychologischen Fragen und in Überlegungen zum therapeutischen Potential christlicher Traditionen und Einsichten. Ich vermute eine weit gehende Parallelisierbarkeit von religiöser und therapeutischer Erfahrung. Heil und Heilung lassen sich offensichtlich nicht voneinander trennen. Alle wichtigen Formen der Therapie (analytische, verhaltensbezogene, aber auch szenische/systemische und jüngst körperorientierte Formen wie etwa die Traumatherapie) induzieren einen Weg der Öffnung, der dem Wissen und der Absicht lebendiger Religion zutiefst entspricht.

Mein wissenschaftliches Arbeiten beruht auf Interdisziplinarität. Wissenschaftlicher Austausch, Einblicke in den englischsprachigen Forschungsstand und soziologisches und psychologisches Wissen halte ich für religiöses Arbeiten für unverzichtbar.

Fortbildungen und Mitgliedschaften

  • Mitglied in der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie, Abt. Praktische Theologie
  • Mitglied im Arbeitskreis Populäre Kultur und Religion (AKPop)
  • Mitglied in der Gesellschaft für wissenschaftliche Religionspädagogik (GWR)
  • Mitarbeit an der Vorbereitung zum Deutschen Evangelischen Kirchentag in Frankfurt 2001 (Arbeitsgruppe 1), zum Ökumenischen Kirchentag in Berlin 2003 (Arbeitsgruppe 1; zusätzlich im Bilanzierungskongreß für den Evangelischen Kirchentag), 2005 in der Projektgruppe für die neue „Themenhalle Spiritualität“ in Hannover.
  • Hauptverantwortlich im Fach Theologie für die Studiengänge Elementarbildung (BA) und im Bildungswissenschaftlichen Grundlagenbereich für neue BA-Studiengänge (ab 2014) an der Pädagogischen Hochschule Weingarten
  • Mitglied in der Landesfachschaft der evangelischen Theologen für die Lehrerbildung an den Hochschulen in Baden-Württemberg, 2008-2010 Vorsitzender.